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Demokratie-Bericht: Stagnation, Krieg und kein Aufschwung nach COVID

Independence Monument in Kyiv, Ukraine. Photo:

Die Aktualisierung des Demokratie-Index der Economist Intelligence Unit (EIU) für 2022, die Anfang dieses Monats veröffentlicht wurde, zeigt eine allgemeine Stagnation der Demokratie in einem Jahr, das von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und einem Mangel an demokratischer Wiederbelebung nach den COVID-19-bedingten Einschränkungen geprägt war.

Der Zustand der nationalen Demokratie weltweit

Laut dem Demokratieindex 2022 leben 8% der Weltbevölkerung in 24 Ländern in einer vollständigen Demokratie, 37,3% in 48 Ländern in einer mangelhaften Demokratie, 17,9% in 36 Ländern in einem hybriden Regime und 36,9% in 59 Ländern in einem autoritären Regime. Der weltweite Durchschnittswert lag 2022 bei 5,29 und damit etwas besser als der Wert von 5,28 im Jahr 2021. Nach Jahren des kontinuierlichen Rückschritts seit mindestens 2015 (mit einem Wert von 5,55) scheint die demokratische Entwicklung im Jahr 2022 einen Punkt der Stagnation erreicht zu haben. Stagnation scheint besser zu sein als Rückschritt, aber dem Bericht zufolge sollte dies als Enttäuschung betrachtet werden, „da man erwartet hatte, dass sich der Gesamtindexwert erholen würde, da die pandemiebedingten Verbote im Laufe des Jahres aufgehoben wurden.“

Globale Karte nach Regimetyp. Quelle: EIU-Demokratie-Index 2022

In der Länder-Bewertung für 2022 gibt es nur fünf Änderungen in der Regimekategorie im Vergleich zum vorherigen Bericht, drei positive und zwei negative. Chile, Frankreich und Spanien kehrten in die Kategorie „vollständige Demokratie“ zurück, während Papua-Neuguinea und Peru von der Klassifizierung „mangelhafte Demokratie“ in die eines „hybriden Regimes“ wechselten.

Anzahl der Länder nach Regimetyp im Jahr 2022, Prozentsatz der Gesamtheit und Prozentsatz der Weltbevölkerung. Quelle: EIU-Demokratie-Index 2022

Wie der Bericht die Demokratie misst

Der Demokratieindex der EIU wird seit 2006 jährlich veröffentlicht. Er bewertet den Stand der Demokratie in 165 unabhängigen Staaten und zwei Territorien, nur Kleinststaaten werden nicht untersucht. Jedes Land erhält eine Punktzahl auf einer Skala von 0-10, die auf einer Reihe von Indikatoren in fünf Kategorien basiert: Wahlverfahren und Pluralismus, bürgerliche Freiheiten, Funktionsweise der Regierung, politische Beteiligung und politische Kultur. Auf der Grundlage der durchschnittlichen Punktzahl werden die bewerteten Länder in eine von vier Kategorien eingestuft: „vollständige Demokratien“ (mit einer Punktzahl von 8+ bis 10); „mangelhafte Demokratien“ (6+ bis 8); „hybride Regime“ (4+ bis 6) und „autoritäre Regime“ (0 bis 4). Der Grad der Demokratie in transnationalen Organisationen wie der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen wird nicht erfasst.

Spitzenreiter und Entwicklungen

Aus regionaler Sicht hat sich die Demokratie in Westeuropa am deutlichsten verbessert. Der Wert stieg von dem historischen Tiefstand während der EIU-Erfassung von 8,22 im Jahr 2021 auf 8,36. Unter den 14 vollwertigen Demokratien in Westeuropa ragen die nordischen Länder wie in den Vorjahren heraus. Mit einem Wert von deutlich über 9 belegen sie fünf der sechs Spitzenplätze. Norwegen liegt mit 9,81 an der Spitze, Neuseeland belegt mit 9,61 den zweiten Platz, Island (9,52), Schweden (9,39), Finnland (9,29) und Dänemark (9,28) folgen dahinter.

Auf Länderebene verzeichnete Thailand mit einem Anstieg um 0,63 Punkte von 6,04 im Jahr 2021 auf 6,67 im Jahr 2022 die beste Einzelverbesserung. im Hinblick auf Angola, Griechenland, Montenegro und Niger wurden ebenfalls gute Fortschritte registriert. Griechenland, das immer noch als mangelhafte Demokratie eingestuft wird, steht kurz davor, den Schritt zu einer vollständigen Demokratie zu machen.

Die 10 besten Hochstufungen und Herabstufungen im Jahr 2022. Quelle: EIU-Demokratie-Index 2022

Russland und die Ukraine

In vielen Ländern gab es auch einen Rückgang der Demokratie. Der Bericht hebt hervor, dass der niedrige Wert Chinas weiter sinkt und Russland mit am stärksten zurückgefallen ist. Von einem bereits niedrigen Wert von 3,24 im Jahr 2021 sank der Wert Russlands um 0,96 auf 2,28. In der Weltrangliste fiel das Land von Platz 124 auf Platz 146 und gehört damit zu den Schlusslichtern. Laut einer Analyse in dem Bericht hängt dieser dramatische Rückgang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zusammen, der zu einer „Zunahme der staatlichen Repression gegen alle Formen des Dissenses und einer weiteren Personalisierung der Macht geführt hat, die Russland in Richtung einer regelrechten Diktatur drängt.“

In einem speziellen Essay wird die demokratische Entwicklung in der Ukraine und das Scheitern der Demokratie in Russland diskutiert. Bisher hatte die Ukraine ihren vorläufigen Höhepunkt als mangelhafte Demokratie in den Jahren nach der „Orangenen Revolution“ im Jahr 2004, so der Bericht, mit einer hohen Punktzahl von 6,94 im Demokratieindex von 2006-2008, um sich danach wieder zu einem hybriden Regime zurück zu entwickeln. Nach den Maidan-Protesten im Jahr 2014 scheint es zu stetigen Verbesserungen gekommen zu sein, die jedoch durch die COVID-19-Pandemie gestört und durch die russische Invasion und den Krieg bedroht werden. Der Essay betont die Interdependenz zwischen nationaler Souveränität und Demokratie und kommt zu dem Schluss, dass „Russlands Angriffskrieg das nationale Bewusstsein geschärft hat und die Erwartungen an einen Wandel danach verstärkt.“

Petter Ölmunger
Petter is chair of Democracy Without Borders Sweden