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Freedom House-Bericht für 2018 sieht die Demokratie „in der Krise“

In dem vor kurzem erschienenen Jahresbericht über den Stand der Freiheit weltweit hat Freedom House in Washington D.C. beunruhigende Zahlen vorgelegt. Der Bericht besagt, dass „die Demokratie ihre schwerste Krise seit Jahrzehnten erlebt“ und erklärt, dass im letzten Jahr zahlreiche Länder in aller Welt einen drastischen Rückgang der Freiheit erlebt hätten. In allen Regionen der Welt wurde ein Rückfall der Demokratie beobachtet und in insgesamt 71 Ländern kam es zu einem Rückgang der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten, wobei nur 35 Länder Gewinne verzeichneten. Damit setzt sich der seit zwölf Jahren anhaltende weltweite Niedergang der Demokratie fort. Seit dem Beginn der weltweiten Abwärtsbewegung im Jahr 2006 haben laut Freedom House 113 Länder einen Netto-Rückgang und nur 62 Länder eine Netto-Verbesserung erfahren.

„Das Recht, Politiker in freien und fairen Wahlen zu wählen, die Pressefreiheit und die Rechtsstaatlichkeit… sind weltweit unter Beschuss und auf dem Rückzug.“

Die Zahl der als „frei“ bezeichneten Länder liegt heute bei 88, was 45 Prozent der weltweit 195 Staaten und mehr als 2,9 Milliarden Menschen – oder 39 Prozent der Weltbevölkerung – entspricht. Die Zahl der Länder, die als „teilweise frei“ eingestuft werden, liegt bei 58 und somit bei 30 Prozent aller untersuchten Länder, was 1,8 Milliarden Menschen oder 24 Prozent der gesamten Weltbevölkerung entspricht. Insgesamt 49 Länder, oder 25 Prozent der Staaten weltweit, gelten als „nicht frei“. Die Zahl der Menschen, die in diesen Ländern leben, beträgt fast 2,7 Milliarden Menschen oder 37 Prozent der Weltbevölkerung, obwohl mehr als die Hälfte in nur einem Land lebt: China.

Der Stand der Freiheit in der Welt im Jahr 2018

Für die Ausgabe seines Berichts für das Jahr 2018 hat Freedom House die Kriterien für die Qualifikation als „Wahldemokratie“ verschärft. Die Zahl der Wahldemokratien liegt nun bei 116, gegenüber 123 im Vorjahr.

Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien

Gerade in den etablierten Demokratien sind einige beunruhigende Anzeichen sichtbar geworden, da demokratische Strukturen durch „soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, parteipolitische Zersplitterung, Terroranschläge und einen Zustrom von Flüchtlingen, der Gesellschaften belastet und die Angst vor dem ‚Anderen‘ verstärkt hat“, unter Druck gesetzt werden. Diese Herausforderungen haben zu einem Aufstieg rechter, oft autoritärer Parteien geführt, die Ordnung, Sicherheit und Stabilität auf Kosten von Offenheit, Fairness und Rechenschaftspflicht versprechen. Wie aus dem Bericht hervorgeht, haben Rechtspopulisten im Jahr 2017 in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Österreich zahlreiche Stimmen und Parlamentssitze erhalten. Hinzu kommt, dass einige Staaten, die noch vor einem Jahrzehnt vielversprechenden Erfolgsgeschichten schienen – etwa die Türkei und Ungarn – in autoritäre Regierungsformen abrutschen.

Die USA ziehen sich aus dem Kampf für mehr Demokratie zurück

Der Rückzug von der globalen Bühne und die scheinbare Verlagerung zurück zu einer isolationistischen, nationalistischen Politik der US-Regierung unter Donald Trump waren ein Katalysator für diesen Trend. Laut Freedom House war „der beschleunigte Rückzug der Vereinigten Staaten aus ihrem historischen Engagement zur Förderung und Unterstützung der Demokratie“ ein wesentlicher Faktor für den weltweiten Rückgang im Jahr 2017. Gleichzeitig wurde eine „schnellere Erosion der demokratischen Standards in Amerika als je zuvor“ verzeichnet. Exemplarisch dafür steht ein Präsident, der unter anderem seine fragwürdigen Handlungen verteidigt, indem er die Integrität der freien Presse, der Justiz und der Gesetzgeber angreift, wenn sie mit seinen Entscheidungen nicht einverstanden sind und oft völlig falsche Behauptungen aufstellt.

Autokratien nehmen die Chance wahr

Während sich die Vereinigten Staaten aus der Rolle eines globalen Beschützers der Demokratie zurückziehen, haben Autokratien wie Russland und China eine entgegengesetzte Rolle übernommen. Da sie den Aufstieg der Demokratie in ihren eigenen Ländern als Bedrohung betrachten, haben sie sich vorgenommen, sie global zu diskreditieren. Mit ausgeklügelten Kampagnen der Fehlinformation und Propaganda hat Russland die Grundsätze der Demokratie im Ausland untergraben, demokratische Institutionen wie die EU destabilisiert und seine autokratischen Praktiken insbesondere in die Entwicklungsländer exportiert. China hingegen versucht nicht zu untergraben, sondern zu kontrollieren; mit seinem beträchtlichen wirtschaftlichen Reichtum hat es bereits eine führende Rolle in vielen Entwicklungsländern Afrikas eingenommen und andere Regierungen ermutigt, sein autoritäres Regierungssystem zu übernehmen.

Anomalie oder Beginn eines Abwärtstrends?

Nichtsdestotrotz wäre es voreilig, das Ende der globalen Demokratie zu verkünden. Der erste Bericht des „Institute of Democracy and Electoral Assistance“, der im November veröffentlicht wurde, stellt beispielsweise fest, dass „die Demokratie seit 1975 große Fortschritte gemacht hat und die Welt nach wie vor ein stabiles Demokratie-Niveau aufweist“. Nach ihrer Einschätzung werden 68% der Regierungen weltweit durch wirklich umstrittene Wahlen gewählt, gegenüber 62% vor zehn Jahren (siehe unseren kürzlich erschienenen Blog). Trotz der wesentlichen Schlussfolgerungen, die man aus den Daten ziehen kann, enthält der diesjährigen Bericht von Freedom House eine aussagekräftige Grafik, die zeigt, dass die globale Freiheit heute immer noch deutlich höher ist als noch vor 20 Jahren.

Freiheit im Gleichgewicht, 1987-2017

Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob der Rückgang der demokratischen Standards, den Freedom House beschreibt, eine Anomalie oder der Beginn eines großen Abwärtstrends ist. Der Jahresbericht von Human Rights Watch, der ebenfalls in diesen Tagen veröffentlicht wurde, betont den starken Widerstand der Bevölkerung gegen autoritäre Kräfte in vielen Ländern. 

Bild: Titelseite des „Freedom of the World“-Berichts

Übersetzung aus dem Englischen: Sarah Neumeyer

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Charles Marsh
Charles has a Masters Degree in Global Politics. He worked as the UNPA Campaign's intern in New York in 2018. In 2021, he became a founding Director of Democracy Without Borders-UK.