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Human Rights Watch präsentiert Jahresbericht 2021

Protest signs posted on the gate surrounding the White House, June 2020. Image:

China bleibt die größte globale Bedrohung für die Menschenrechte

Vor kurzem hat Human Rights Watch (HRW) den 31. Jahresbericht der Organisation über den Zustand der Menschenrechte weltweit veröffentlicht. Der Bericht ist eine Reflexion und Zusammenfassung der umfangreichen investigativen Arbeit, die HRW in fast 100 Ländern und Territorien auf der ganzen Welt durchführt. Der Bericht bietet nicht nur eine menschenrechtsorientierte Analyse der aktuellen Situation in jedem dieser Länder, sondern enthält auch ein Vorwort von HRW-Direktor Kenneth Roth, in dem er die jüngsten Fortschritte und Perspektiven für die Entwicklung der globalen Menschenrechte aufzeigt.

Bei der Vorstellung des Berichts wies Roth darauf hin, dass China weiterhin die größte Bedrohung für die globalen Menschenrechte darstellt und dass Präsident Xi Jinping „die intensivste Repression“ im Land seit der Niederschlagung des Tiananmen-Platzes 1989 eingeleitet hat.

Die Essays, die zusammen mit dem Bericht veröffentlicht wurden, behandeln Themen wie die Auswirkungen der Pandemie, der Klimakrise, der Situation von Asylsuchenden und Menschen mit Behinderungen, von geschlechtsspezifischer Online-Gewalt, sowie der „Pandemie der Ungleichheit“ auf die Menschenrechte.

Die katastrophalen Auswirkungen der Trump-Präsidentschaft

Es überrascht nicht, dass Roth einen großen Teil seines Beitrages der Betonung der katastrophalen Auswirkungen der Trump-Präsidentschaft auf den Schutz und die Entwicklung der Menschenrechte in den USA und der Welt darüber hinaus widmet. Andererseits hebt er positive Entwicklungen hervor, die durch das Vakuum entstanden sind, das der US-Präsident in den letzten vier Jahren verursacht hat. Roth erörtert auch, wie Joe Biden sich in das aktuelle Geschehen einfügt und wie er versuchen kann, den durch Trump verursachten Schaden zu reparieren.

In den vergangenen vier Jahren der Präsidentschaft Trumps gab es einen deutlichen Rückschritt der USA beim Schutz der Menschenrechte im eigenen Land und in der Welt. Wie der Bericht zeigt, hat Trump gesetzliche Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen und ihren Kindern, ethnischen und religiösen Minderheiten, LGBTQI-Gruppen und den Rechten von Frauen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit missachtet. Er hat den systematischen Rassismus in der Polizeiarbeit beharrlich übersehen und gleichzeitig Rassismen und weiße Privilegien gestärkt. Dies wurde dadurch verkörpert, dass der Präsident seine Anhänger zum Kampf gegen seine Wahlniederlage aufstachelte, was zum Eindringen in das Kapitol und den Tod von zwei Menschen führte. Trump wurde in der Folge der erste Präsident in der Geschichte der USA, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Im Ausland baute Trump konsequent Beziehungen zu Autokraten auf Kosten ihrer misshandelten Bevölkerungen auf, förderte den Verkauf von Waffen an Regierungen, die in Kriegsverbrechen verwickelt waren, und zog sich aus wichtigen internationalen Initiativen zur Verteidigung der Menschenrechte, zur Förderung der Gerechtigkeit, zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und zur Verhinderung des Klimawandels zurück.

Stärkung anderer Staaten

Während die Wahl Bidens denjenigen, die von Trumps Amtszeit niedergeschlagen waren, zu Recht Hoffnung gibt, warnt Roth davor, den Wechsel der Präsidentschaft als Allheilmittel zu betrachten. Unabhängig davon, wer das Oval Office besetzt, haben sich die USA immer als omnipotenten Akteur in globalen Angelegenheiten gesehen. Doch obwohl sie darauf bestehen, ein globaler Verfechter der Menschenrechte zu sein, war ihre diesbezügliche Bilanz in den letzten Jahrzehnten schlecht.

Roth argumentiert, dass, obwohl Trump eine Katastrophe für die globalen Menschenrechte war, man Ermutigung aus dem Engagement anderer Staaten ziehen kann, die auf die Bühne traten und zusammengearbeitet haben, um die von Washington hinterlassene Lücke zu füllen. Beispiele dafür sind die Lima-Gruppe, in der sich elf Staaten zusammengeschlossen haben, um die UNO dazu zu bewegen, die repressive Herrschaft von Nicolás Maduro in Venezuela zu untersuchen, die Organisation für Islamische Zusammenarbeit und die EU, die gemeinsam eine Initiative im Menschenrechtsrat anführten, um die Misshandlung von Rohingya-Muslimen durch das Militär in Myanmar zu untersuchen, und die erfolgreichen Bemühungen Liechtensteins und Katars, das Veto Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat zu umgehen, um einen internationalen, unabhängigen Mechanismus für Syrien einzurichten, der Beweise für Kriegsverbrechen und andere Gräueltaten zur Strafverfolgung sammeln soll – der erste derartige Mechanismus, der jemals geschaffen wurde.

Eine neue Rolle für die USA?

Roth meint, dass diese Entwicklungen die Tür für eine Veränderung der Dynamik der globalen Verteidigung der Menschenrechte öffnen. Die USA könnten und sollten ihre Rolle anpassen, indem sie eher auf Zusammenarbeit setzen und in Bezug auf internationale Entscheidungen nicht als Diktator auftreten. Biden sollte daher versuchen, sich in diese Koalitionen einzubringen, anstatt kollektiven Bemühungen aus dem Weg zu gehen.

Um die globale Verteidigung der Menschenrechte zu stärken, plant Biden, einen „Gipfel für Demokratie“ zu veranstalten. Roth argumentiert jedoch, dass er nicht den Fehler von Bill Clinton wiederholen sollte, der verbündete autoritäre Regierungen in seine Community of Democracies einlud, in der Hoffnung, dass sie demokratisch werden könnten. Vielmehr sollte Biden dafür sorgen, dass ein klarer Nachweis der Einhaltung demokratischer Standards Voraussetzung für die Zulassung zu einer solchen Veranstaltung wird.

Anstatt sich darauf zu konzentrieren, die USA als Hüterin der globalen Menschenrechte zu re-installieren argumentiert Roth, dass Biden sich darauf konzentrieren sollte, welche Maßnahmen die USA selbst ergreifen können, um die globalen Menschenrechte auf der internationalen Bühne zu fördern. Roth schlägt vor, dass Biden damit beginnen könnte, Trumps Rückschritte rückgängig zu machen, insbesondere wieder in den Menschenrechtsrat einzutreten, die Finanzierung der UN wieder aufzunehmen, die Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof aufzuheben und die Bemühungen der USA zur Bekämpfung des Klimawandels zu erneuern.

Wahl des UN-Generalsekretärs

Im Hinblick auf die künftige Führung der UN wurde kürzlich berichtet, dass UN-Generalsekretär Antonio Guterres eine zweite fünfjährige Amtszeit anstrebt. Laut HRW waren Guterres‘ Erfolge im Bereich der Menschenrechte in den letzten vier Jahren durchwachsen. Der UN-Direktor von HRW, Louis Charbonneau, kommentierte, dass „ihm eine neue Amtszeit nicht auf dem Silbertablett serviert werden sollte“, und fügte hinzu, dass „der Prozess mehrere Kandidaturen einschließen sollte, die alle öffentlich konkrete Pläne zur Verbesserung der UN vorlegen, einschließlich der Frage, wie ihre Menschenrechtssäule in einer Zeit gestärkt werden kann, in der einige Regierungen aktiv daran arbeiten, sie zu untergraben.“ In Bezug auf die Verbesserung der UNO hat Demokratie ohne Grenzen Guterres aufgefordert, die Schaffung einer Parlamentarischen Versammlung bei den UNO und einer UN-Weltbürgerinitiative auf die Tagesordnung zu setzen.

Übersetzt aus dem Englischen von Maya Rollberg

Ryan Whyte
Ryan is a graduate from The University of Edinburgh (Law LLB) and The University of Glasgow (International Relations MRes) currently based in Berlin.