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Von den zwei Dimensionen globaler Demokratie

Image: DWB

Demokratie ohne Grenzen fordert globale Demokratie. Aber ist es selbsterklärend, was dies bedeutet? Dieser Artikel beleuchtet zwei Perspektiven, die in diesem Begriff enthalten sind.

Was ist Demokratie?

Bevor wir auf die globale Dimension eingehen, ist es sinnvoll, den Begriff der Demokratie im Allgemeinen zu betrachten. Demokratie bedeutet in verschiedenen Kontexten für verschiedene Menschen Unterschiedliches. Die breite Diskussion über Demokratie ist daher von einer Vielfalt von Ansichten geprägt, die verwirrend sein kann. Es werden viele verschiedene Definitionen angeboten. Einige versuchen, sich die Idealform von Demokratie vorzustellen. Andere konzentrieren sich mehr darauf, wie Demokratie in der Praxis in einem bestimmten Kontext funktioniert. Einige Definitionen versuchen, Unterschiede oder Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Aspekten der Demokratie zu erklären, wie zum Beispiel „repräsentative“, „direkte“ oder „deliberative“ Demokratie. Wieder andere sind mehr an den Prinzipien interessiert, auf denen die Demokratie aufbaut oder welche sie fördert, wie z. B. gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation oder Rede- und Versammlungsfreiheit. Dies ist eine wichtige und anhaltende Diskussion.

Um zu verstehen, was globale Demokratie bedeutet, kann eine minimalistische Definition verwendet werden, die auf vereinbarten internationalen Erklärungen und Instrumentarien basiert.

Ein grundlegender Bezugspunkt ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), die am 10. Dezember 1948 von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde. Eine weitere wichtige Quelle ist der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), der 1966 verabschiedet wurde und 1976 in Kraft trat. Basierend auf Artikel 21 der AEMR und auf Artikel 25 des IPbpR könnte eine prägnante Definition von Demokratie wie folgt lauten:

„Die Autorität der Regierung muss auf dem Willen des Volkes beruhen, der durch das Recht aller Bürger*innen verwirklicht wird, sich an öffentlichen Angelegenheiten direkt oder durch frei gewählte Vertreter*innen zu beteiligen, welche in regelmäßigen, echten, freien und fairen Wahlen mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht in geheimer Wahl gewählt werden.“

Aus der Sicht von Demokratie ohne Grenzen ist dieses Recht auf Demokratie geografisch nicht begrenzt und umfasst alle politischen Ebenen, von der lokalen bis zur globalen. Tatsächlich erklärt Art. 28 der AEMR, dass jeder Mensch Anspruch auf eine „internationale Ordnung hat, in welcher die in der vorliegenden Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.“

In diesem Zusammenhang ist vielleicht noch anzumerken, dass das Prinzip der Subsidiarität – dass jede Entscheidung auf der niedrigsten möglichen Ebene und auf der höchsten notwendigen Ebene getroffen werden sollte – sowie die Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive unserer Ansicht nach unverzichtbare Elemente jedes demokratischen politischen Systems sind.

Globalisierung nationaler Demokratie

Natürlich umfasst das Recht auf Demokratie viel mehr als freie und faire Wahlen. Dennoch: Wenn die obige Definition den Kern von Demokratie im Allgemeinen erfasst, was ist dann globale Demokratie?

Democracy Without Borders promotes both dimensions of global democracy with a focus on democratizing global governance. Image: UN General Assembly, UN Photo/Manuel Elias

Es gibt zwei wesentliche Perspektiven: Die eine hat ihren Ausgangspunkt im völkerrechtlich souveränen Nationalstaat. Aus dieser Sicht ist globale Demokratie vor allem auf den Fortschritt oder Rückschritt von Demokratie auf nationalstaatlicher Ebene bezogen. Die globale Verbreitung nationaler Demokratie ist einer der wichtigsten politischen Trends der letzten zwei Jahrhunderte. Politikwissenschaftler*innen haben gezeigt, wie dies in verschiedenen „Demokratisierungswellen“ geschah. Eine erste Welle, die ihre Ursprünge in der amerikanischen und in der französischen Revolution hatte, fand hauptsächlich zwischen 1828 und 1926 statt. Sie ging einher mit einer allmählichen Ausweitung des Wahlrechts. Außerdem wurden den Exekutiven in immer mehr Ländern stärkere Parlamente gegenüber gestellt. Eine zweite Welle fand zwischen 1943 und 1962 statt, parallel zu einem starken Trend der Dekolonisierung.

Über den genauen Zeitpunkt des Beginns der dritten Welle herrscht weniger Einigkeit. Einige datieren ihn ins Jahr 1974, in die Zeit der Nelkenrevolution und der demokratischen Reformen in Portugal. Andere verweisen auf das Jahr 1989 und die Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Ein Höhepunkt dieser dritten Welle scheint jedoch im Jahr 2006 erreicht worden zu sein. Danach gab es einen Rückgang der weltweiten Demokratie, wie es die jüngsten Zahlen des EIU-Demokratieindizes belegen. Dennoch hat die globale Ausbreitung nationaler Demokratie auch zu einer Globalisierung der demokratischen Idee geführt. Heute gibt es ein starkes Bewusstsein und Unterstützung für das Konzept der Demokratie, selbst in Ländern, deren Regierungen selbst alles andere als demokratisch sind.

Demokratisierung globalen Regierens

Die andere Seite des Begriffs „globale Demokratie“ hat ihren Ausgangspunkt nicht im Nationalstaat, sondern in der globalen Gesellschaft selbst. Aus dieser Sicht ist globale Demokratie in erster Linie auf die Schaffung demokratischer und inklusiver Mechanismen globaler Entscheidungsfindung bezogen, entweder durch die Reform bestehender oder die Gründung neuer globaler Institutionen.

Aus der obigen Definition von Demokratie liesse sich dann folgern, dass Arbeitsweisen und Entscheidungsfindung globaler Institutionen auf dem „Willen der Weltbevölkerung beruhen sollten, der durch das Recht aller Weltbürger*innen verwirklicht wird, sich direkt oder durch frei gewählte Vertreter*innen am globalen Regieren zu beteiligen“.

Dies bedeutet eindeutig die Schaffung einer gewählten globalen parlamentarischen Versammlung und partizipativer Mechanismen wie einer Weltbürgerinitiative oder einem globalen Referendum.

Dies entspricht im Allgemeinen den UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung, auf allen Ebenen sowohl “leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen” zu entwickeln (Ziel 16.6), als auch eine “bedarfsorientierte, inklusive, partizipatorische und repräsentative” Entscheidungsfindung zu gewährleisten (Ziel 16.7). Der Fokus dieser zweiten Perspektive auf globale Demokratie liegt auf der globalen Ebene des Regierens.

Zwei sich ergänzende Perspektiven auf globale Demokratie

Die beiden oben diskutierten Perspektiven auf globale Demokratie ergänzen sich gegenseitig. Um der Klarheit willen ist es jedoch hilfreich, die beiden Konzepte eindeutig zu unterscheiden. Die erste Perspektive könnte man als „Globalisierung nationaler Demokratie“ zusammenfassen. Die zweite könnte man als „Demokratisierung globalen Regierens“ bezeichnen.

Um eine stabile globale Demokratie aufzubauen, die beide Dimensionen umfasst, sind Fortschritte in beiden Bereichen notwendig und wechselseitig voneinander abhängig. Selbst wenn alle Länder der Welt demokratisch wären, würde dies das globale Regieren noch nicht demokratischer machen. Wenn Bemühungen unternommen werden, nationale Demokratie zu globalisieren, ohne gleichzeitig globales Regieren zu demokratisieren, werden demokratische Institutionen auf nationalstaatlicher Ebene zunehmend ausgehöhlt und ineffektiv werden, da mehr und mehr Fragen auf der demokratisch nicht-rechenschaftspflichtigen zwischenstaatlichen Ebene behandelt werden. In einer Zeit zunehmender Globalisierung braucht nationalstaatliche Demokratisierung die Unterstützung durch demokratische globale Institutionen. Auf der anderen Seite braucht die Demokratisierung globalen Regierens stabile Demokratien auf der Ebene der Nationalstaaten. Nationalstaatliche Demokratie ging aus einem graduellen Prozess hervor, der von lokalen Initiativen und nationalen institutionellen Reformen abwechselnd vorangetrieben wurde. Genauso wird auch die Ausweitung des Rechts auf Demokratie auf die globale Ebene von einer Wechselwirkung zwischen nationaler Demokratisierung und demokratischen Reformen globaler Regierungsinstitutionen abhängen.

Petter Ölmunger
Petter is chair of Democracy Without Borders Sweden