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Parlamentarische Versammlung der UN Thema bei Global Governance Forum

Flags outside the GA Hall during the General Assembly 75th session: General Debate

Im Rahmen des UN75 Global Governance Forum, welches vom 16. bis 18. September 2020 anlässlich der Eröffnung der 75. Generalversammlung der UNO stattfand, wurde die Schaffung einer parlamentarischen Versammlung innerhalb der UNO thematisiert. 

Das Forum wurde vom Stimson Center in Zusammenarbeit mit mehr als dreißig Institutionen, die sich mit Thematiken rund um die Vereinten Nationen befassen, organisiert. Neben 26 thematischen Panels wurde eine Roadmap für eine „effektivere und inklusivere“ Weltorganisation veröffentlicht, welche sowohl 20 Multi-Stakeholder-Partnerschaften wie auch 20 Innovationsvorschläge beinhaltet.

Reformierung und Stärkung der UN

Als Schritt hin zu einer eigenständigen parlamentarischen Versammlung propagiert ein Innovationsvorschlag die Einrichtung eines parlamentarischen UN-Netzwerks. Dieses soll „die Demokratie- und Legitimitätsdefizite der UN“ addressieren.

Der Thematik einer parlamentarischen Versammlung der UN widmete sich auch  ein von Demokratie ohne Grenzen (DWB) einberufenes Forum, an dem fünf Parlamentsmitglieder teilnahmen: Darren Bergman und Nomsa Tarabella-Marchesi aus Südafrika, Domènec Devesa, Mitglied des Europäischen Parlaments aus Spanien, Alhagie Mbow aus Gambia und Lilia Puig, Mitglied des Mercosur-Parlaments aus Argentinien.

Die Online-Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann oben auf YouTube angesehen werden

Eingeleitet und moderiert wurde die Diskussion von DWB-Geschäftsführer Andreas Bummel, der auf eine neue Studie zu einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen (UNPA) hinwies, die DWB nur wenige Tage vor dem Forum veröffentlicht hatte.

Laut dieser Studie braucht es eine Parlamentarische Versammlung bei der UN, um das notwendige Maß an demokratischer Legitimität zu schaffen und so eine wesentliche Stärkung der UN zu ermöglichen. Bummel wies darauf hin, dass die Versammlung auch neue Ideen in den ins Stocken geratenen UN-Reformprozess einbringen und den Weg für die Entwicklung eines Weltparlaments bereiten könnte.  Dies ist ein langfristiges Ziel der beim Forum präsentierten Roadmap.

„Der beste Weg, den UNPA-Vorschlag zu verstehen, ist, ihn nicht als statisches Modell zu betrachten, sondern als einen institutionalisierten Prozess, den wir in Gang setzen möchten. Wir stellen uns eine UNPA vor, die als Katalysator für die Reform der Vereinten Nationen fungiert und mit der Zeit die Demokratie und die globale Regierungsführung stärkt“, so Bummel.

Stärkung des parlamentarischen Einflusses

In der Diskussion betonten die meisten Diskussionsteilnehmer*innen, dass die COVID-19-Pandemie die Anfälligkeit nationaler Systeme im Umgang mit globalen Themen aufgezeigt habe. Darüber hinaus sprach Nomsa Tarabella-Marchesi von einer „sehr chaotischen Reaktion“ auf globaler Ebene und merkte an, dass die Pandemie die nationalen Regierungen so überfordert habe, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN in den politischen Agenden an den Rand gedrängt worden seien.

Lilia Puig teilte eine ähnliche Auffassung und sagte, dass die Gesundheitskrise zu einer enormen Stärkung der nationalen Exekutiven auf Kosten der nationalen Parlamente geführt habe. Sie führte aus, dass nicht nur andere nationale Themen vernachlässigt wurden, sondern auch die demokratischen Institutionen unter einer zunehmenden Marginalisierung leiden. Weiter argumentierte sie, dass eine UNPA den parlamentarischen Einfluss auf der Ebene der Global Governance stärken und dazu beitragen könnte, die Funktionsfähigkeit parlamentarischer Institutionen in Krisenzeiten aufrecht zu erhalten.

Darren Bergman führte dieses Argument weiter und fügte hinzu, dass nach seiner Einschätzung die Öffentlichkeit ein globales Parlament „mit Biss“ wolle, das in der Lage sei, effektive Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel im Falle von Massenverbrechen.

Mehr Rechenschaftspflicht für die UN schaffen

Die meisten Redner*innen sprachen die Kluft an, die zwischen den innenpolitischen Auswirkungen multilateraler Entscheidungen und der geringen Rechenschaftspflicht der Vereinten Nationen besteht. „Wir müssen weg von geschlossenen und geheimen Treffen, bei denen die Bürger*innen keine Ahnung haben, was in Bezug auf Entscheidungen passiert, die sie täglich betreffen“, sagte Tarabella-Marchesi.

Laut Bergman besteht die Gefahr“einer politischen Vereinnahmung der UN“, die das Risiko einer „parteiischen Berichterstattung“ durch die UN birgt. Seiner Meinung nach könnte eine UNPA diesbezüglich eine überwachende Rolle ausüben. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass das Handeln der UNO oft von Ländern mit finanziellem Einfluss, wie den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, geprägt ist. Eine demokratische Kammer bei den UN würde stattdessen die Rechenschaftspflicht zwischen der Organisation und den Vertreter*innen der Weltbevölkerung erleichtern.

Unterstützung an der Basis aufbauen

Wie der Moderator hervorhob, wird das Projekt einer UNPA seit langem von regionalen Parlamenten wie dem Mercosur-Parlament, dem Pan-Afrikanischen Parlament oder dem Europäischen Parlament unterstützt. Das Panel diskutierte, inwieweit diese und andere internationale parlamentarische Institutionen auch als Modelle für eine UNPA dienen und ob es Erkenntnisse gibt, aus denen man lernen kann.

Es wurde darauf hingewiesen, dass eines der Elemente, welche die Legitimität des Mercosur-Parlaments (Parlasur) minderten, aus dem Fehlen eines klar definierten und exklusiven Mandats resultiert. Die Mitglieder der nationalen Parlamente würden sich schwer tun, eine Einmischung in ihre eigenen Aktivitäten zu akzeptieren. Die Einführung von Direktwahlen ins Parlasur stieß daher auf Verzögerung und Widerstand, da sie das Gremium unabhängiger von den nationalen Parlamenten machen würde. „Das Wichtigste ist, dass eine UNPA ihre eigene Zuständigkeit und ihre eigene Agenda hat“, sagte Lilia Puig.

Ausgehend von seinen Erfahrungen als Mitglied des Panafrikanischen Parlaments (PAP) bestätigte Alhagie Mbow, dass das parlamentarische Gremium der Afrikanischen Union, das sich derzeit aus Mitgliedern der nationalen Parlamente zusammensetzt, aus seiner Sicht tatsächlich ein Vorbild darstellt. Er bestätigte, dass die Afrikanische Union ursprünglich beschlossen hatte, dass das PAP direkt gewählt werde und legislative Befugnisse haben sollte, aber dass die Mitgliedsstaaten nun befürchten, dass ein solches PAP den Spielraum der nationalen Regierungen schmälern würde. Er sagte, dass ein noch unvollendetes parlamentarisches UN-Netzwerk ein erster annehmbarer Schritt einer progressiven Entwicklung sein könnte, welche zu einer formellen UNPA führt. So könnte mit der Zeit der notwendige politische Wille entstehen.

Darren Bergman räumte zwar ein, dass es notwendig sei, Unterstützung aus den Reihen der nationalen Regierungen aufzubauen, sagte aber, dass eine vollwertige UNPA tatsächlich attraktiver und populärer wäre als ein bloßes Netzwerk. Er sprach sich für direkte Wahlen in eine UNPA aus und merkte an, dass er nicht glaube, dass „nationale Parlamentarier*innen sich auch als globale Politiker*innen eignen“.

Lehren des Europäischen Parlaments

Es wurde hervorgehoben, dass das Europäische Parlament als direkt gewähltes Mitgesetzgebungsorgan der Europäischen Union (EU) die am weitesten entwickelte Institution dieser Art der Welt ist. Domènec Devesa erklärte, dass „das Europäische Parlament zu dem wurde, was es heute ist, nicht nur, weil die Institution selbst sehr effektiv darum gekämpft hat, Macht und Bedeutung zu erlangen, sondern auch aufgrund einer Art deterministischen Weges“. Er stellte fest, dass die EU „von Anfang an ein grenzüberschreitendes Projekt war“ und dass „diese Philosophie leider in der UN-Charta fehlt“. Er fügte hinzu, dass „es von den Mitgliedsstaaten nicht verstanden wird, dass sie einer Organisation angehören, die das Potential hat, über eine zwischenstaatliche Organisation hinauszugehen“.

Devesa schlug vor, dass das Beispiel der Parlamentarischen Versammlung der NATO mehr erforscht werden sollte, da dieses Gremium von Parlamentarier*innen auf ihre eigene Initiative hin geschaffen und mit der Zeit von der NATO-Allianz anerkannt wurde. Laut dem EU-Parlamentarier „sollten wir jede Gelegenheit ergreifen“, um dem Ziel einer UNPA näher zu kommen. Er befürwortete damit ein schrittweises Vorgehen. „Wir sollten uns im Moment keine Sorgen um die Gesetzgebungskompetenz machen“, so Devesa.

In einem Kommentar für diesen Artikel stellte Andreas Bummel fest, dass das UN75 Global Governance Forum ein „großer Erfolg“ gewesen sei. „Wir gratulieren dem Stimson Center und allen Beteiligten“, sagte er.

In der Plenarsitzung des Forums sprachen unter anderem Mary Robinson, Ban Ki-moon, Gro Harlem Brundtland, Hina Jilani, Juan Manuel Santos und Danilo Türk.

Übersetzt aus dem Englischen von Sabina Triseckin