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BTI: Entwicklung der demokratischen Transformation fällt auf Tiefpunkt

Laut BTI 2020 war der Rückfall in der Demokratie in den vergangenen zehn Jahren in der Türkei am schlimmsten. Bild: (c) Shutterstock

Die 2020-Ausgabe des Bertelsmann Transformationsindex, kurz BTI, der den Stand der politischen Transformation in 137 Ländern untersucht, zeigt wachsenden Widerstand gegen den Rückschritt der Demokratie und das Wiederaufleben des Autoritarismus. Der Bericht über den Stand der Demokratie, der hier zu finden ist, gibt jedoch wenig Anlass zu Optimismus.

In etwa einem Fünftel der untersuchten Länder ist der Gesamtwert der politischen Transformation um mindestens 0,25 Punkte zurückgegangen, während nur jede zehnte Regierung positive Veränderungen in der gleichen Größenordnung erreicht hat. Elf der 18 Indikatoren in der Studie haben ihren niedrigsten Stand seit 2006 erreicht, und 13 der 18 Indikatoren haben sich in den letzten zwei Jahren verschlechtert. Vier Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 160 Millionen Einwohnern – Guatemala, Honduras, Kenia und die Türkei – werden jetzt als Autokratien eingestuft, während nur drei Länder mit einer Gesamtbevölkerung von knapp 41 Millionen Einwohnern – Armenien, Libanon und Malaysia – als neue Demokratien eingestuft wurden.

Bewertung von Regierungsformen in der BTI-Ausgabe 2020. Quelle: BTI Project

Der BTI verzeichnet „eine Reihe zunehmender Trends, die die Entwicklung der Demokratie aufhalten und regressive Tendenzen zu verstärken drohen“, die sich im letzten Jahrzehnt fortgesetzt haben. In den 45 Ländern, die während des gesamten Jahrzehnts als Autokratien eingestuft wurden, hat sich die Repression in den meisten Fällen verschlimmert. Viele ließen früher zumindest den Anschein politischer Opposition und der Freiheit zu abweichenden Meinungen zu, aber die Regierungen gingen im Zuge des Arabischen Frühlings und anderer Reformbewegungen konsequent gegen sie vor. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Werte im Bereich der Bürgerrechte sind weiter zurückgegangen.

Überblick über rückläufige Demokratien, 2010-2020. Quelle: BTI 2020, Global Findings Democracy, Figure 1

Der BTI prognostiziert in einem Policy Brief, der hier verfügbar ist, dass die Coronavirus-Pandemie diese Trends nur noch verstärken wird. Während „weder absehbar ist, wie schnell und weit sich COVID-19 ausbreiten wird, noch wie lange die daraus resultierende wirtschaftliche und soziale Krise andauern wird, bis ein Impfstoff entwickelt ist“, ist es laut BTI eindeutig, „dass es die oft schlecht entwickelten Gesundheitssysteme vieler der 137 untersuchten Entwicklungs- und Transformationsländer stark belasten und wahrscheinlich überlasten wird“. Einige ExpertInnen „sagen bereits jetzt voraus, dass viele Länder in ihrer Entwicklung um viele Jahre zurückgeworfen werden und dass Hunderte von Millionen Menschen Gefahr laufen, wieder in extreme Armut zurückzufallen“.

Der BTI liefert einen bescheidenen Anlass zu Optimismus, da er den zunehmenden Widerstand der BürgerInnen gegen repressive Maßnahmen sowie die anhaltende Resilienz der Institutionen und der Zivilgesellschaft, die dem Druck autokratischer Regime ausgesetzt sind, feststellt. Während osteuropäische Staaten wie Ungarn und Polen autoritärer geworden sind, haben sich in Tschechien und der Slowakei Protestierende gegen ähnliche Bestrebungen gestellt. In Indien gab es Massenproteste gegen einen Versuch der Partei von Premierminister Narendra Modi, die 200 Millionen Muslime des Landes zu diskriminieren. Auch in Indonesien hat es wirksame Demonstrationen gegen Korruption gegeben.

Der Bericht warnt „vor einem übermäßigen Optimismus“ und stellt fest, dass es „schrittweise Veränderungen“ seien, „die dauerhafte Veränderungen herbeiführen“. Die Untersuchung führt weiter aus: „Gleichzeitig können diese Ereignisse aber auch ein Zeichen dafür sein, dass die Idee von Demokratie und Gerechtigkeit ihre Wirkung nicht verloren hat. Ganz gleich, ob in Autokratien oder Demokratien, das wachsende Gefühl vieler BürgerInnen, dass eine wirtschaftliche und politische Elite zunehmend ihren eigenen Interessen verpflichtet ist und den Menschen gegenüber immer weniger rechenschaftspflichtig ist, wird so lange bestehen bleiben, wie die Regierungen nicht reagieren. Demokratien erheben zumindest den Anspruch, dies zu tun; sie sollten sich stärker bemühen, diesem Anspruch gerecht zu werden“.

Die neue BTI-Studie bestätigt einen allgemeinen Trend zur Autokratisierung, der sich auch in anderen aktuellen Einschätzungen von Freedom House, V-Dem und der Economist Intelligence Unit widerspiegelt. Ein früherer BTI-Bericht wurde 2018 vorgelegt.

Übersetzt aus dem Englischen von Sabina Triseckin

Peter Orvetti
Peter Orvetti is a writer, intelligence analyst, and world federalism advocate residing in Washington, D.C.