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Internationale Umfrage: Demokratien entsprechen den Erwartungen nicht

Photo by AJ Colores on Unsplash

Kürzlich präsentierte Dalia Research in Zusammenarbeit mit der Alliance of Democracies Foundation und Rasmussen Global die Ergebnisse des 2019 Democracy Perception Index (DPI). Die Resultate deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Menschen, die in demokratischen Staaten leben, nicht der Meinung sind, dass ihre Regierungen wesentlichen demokratischen Verpflichtungen nachkommen, etwa die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Politik, Arbeit im Interesse der Wähler/innen sowie die Förderung der Meinungsfreiheit oder des Zugangs zu ausgewogenen und neutralen Informationen. Laut den Forschern veranschaulicht die Umfrage, dass es bei der Krise der Demokratie nicht darum geht, dass Menschen den Glauben an die Demokratie verlieren – vielmehr haben sie größere Ansprüche.

Der Democracy Perception Index

Der DPI ist eine der weltweit größten jährlichen Studien zur Demokratie, die von Dalia Research in Zusammenarbeit mit der Alliance of Democracies Foundation und Rasmussen Global durchgeführt wird, um die Einstellung zur Demokratie in aller Welt zu beobachten. Die Studie konzentriert sich speziell auf die öffentliche Wahrnehmung, motiviert durch die Annahme, dass das Überleben der Demokratie in erster Linie davon abhängt, wie die Bürger/innen sie wahrnehmen. Die Ergebnisse der 2019-Ausgabe des DPI basieren auf national repräsentativen, anonymen Interviews mit 177.870 Befragten aus 54 Ländern, die zwischen dem 18. April und dem 6. Juni 2019 durchgeführt wurden.

Wie wichtig ist Demokratie für die Menschen auf der ganzen Welt? Quelle: Dalia Research

Glaube an demokratische Performance sinkt

Wie in diesem Blog zu Beginn des Jahres berichtet, hat eine „dritte Welle“ der Autokratisierung zu einem stetigen Rückgang der demokratischen Systeme geführt. Seit 1994 haben Demokratien Rückschläge bei wichtigen demokratischen Elementen wie Meinungsfreiheit, Zugang zu neutralen Informationen und sozialer Integration zu verzeichnen. Die Ergebnisse der DPI-Studie zeigen, dass diese Rückschläge in der Öffentlichkeit nicht unbemerkt geblieben sind. Der Bericht zeigt, dass 45% der in Demokratien lebenden Teilnehmer/innen nicht glauben, dass ihre Länder tatsächlich demokratisch sind. Interessanterweise sind 9 der 10 Länder, in denen sich die Menschen politisch am meisten „sprachlos“ fühlen, westeuropäische Länder mit den am weitesten entwickelten demokratischen Institutionen. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die Erwartungen der Menschen an das, was eine starke Demokratie ausmacht, gestiegen sind und die Regierungen diese Standards nicht erfüllen.

Die Erwartungen der Menschen an die Demokratie sind gestiegen

Die Fragen in der DPI-Umfrage versuchen zu beurteilen, inwieweit die Menschen das Gefühl haben, dass die politischen Entscheidungsträger/innen in ihrem Interesse handeln, wie zuversichtlich sie sind, an politischen Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten teilzunehmen und wie sehr sie das Gefühl haben, dass sie Zugang zu ausgewogenen und neutralen Informationen haben.

Die Ergebnisse zeigen, dass die in Demokratien lebenden Menschen in Bezug auf die oben genannten Themen im Allgemeinen mehr verdrossen sind als die in Autokratien lebenden. Besorgniserregende 64% der Menschen in demokratischen Ländern gaben an, dass sie glauben, dass ihre Regierung „nie“ oder „selten“ in ihrem Interesse handelt. Andererseits glauben nur 41% der Befragten in autokratischen Ländern, dass ihre Regierungen ihre Interessen nicht im Blick haben. Obwohl diese Zahlen interessant sind, ist es sehr schwierig, daraus konkrete Schlüsse zu ziehen, da die Befragten potenziell von der Angst vor Verfolgung beeinflusst wurden, sollten sie Kritik an einem autokratischen Regime äußern. Dies wird deutlich, wenn man bedenkt, dass nur 15% der Menschen in Saudi-Arabien – einem Land, in dem eine regierungskritische Haltung mit dem Tode bestraft werden kann – erklärten, dass ihre Regierung nie oder selten in ihrem Interesse handelt, obwohl Saudi-Arabien im Verhältnis zu seinem Wohlstand über äußerst unzureichende soziale Institutionen verfügt.

Glaube an die Demokratie als Prinzip bleibt

Obwohl die Ergebnisse des Berichts nicht gut sind und die gegenwärtigen Mängel der Demokratie aufzeigen, bedeuten sie allerdings nicht, dass die Menschen mit der Demokratie an sich unzufrieden sind (79% der Teilnehmer/innen sagten, dass es wichtig ist, Demokratie in ihrem Land zu haben). Vielmehr zeigen die Ergebnisse, dass die Menschen mit dem vorhandenen Niveau der Demokratie nicht zufrieden sind.

Menschen sind nicht unzufrieden mit der Demokratie per se

Die Menschen möchten mehr Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung haben und keine Fehlinformationen erhalten. Letztendlich kann Demokratie nur funktionieren, wenn die Menschen aktiv in die politischen Prozesse einbezogen werden. Die Regierungen müssen erkennen, dass sich große Teile ihrer Wählerschaft übergangen fühlen und Schritte unternehmen, um den Glauben des Volkes zurückzugewinnen oder statt dessen in den Augen ihrer Wähler/innen weiter an Legitimität verlieren.

Ryan Whyte
Ryan is a graduate from The University of Edinburgh (Law LLB) and The University of Glasgow (International Relations MRes) currently based in Berlin.