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Die Zukunft muss warten: UN-Gipfel liefert wenig zur globalen Beteiligung

New York City, NY, USA - August 22, 2022: United Nations logo on the fence outside its headquarters in New York City, NY, USA. The United Nations is an intergovernmental organization.

Der lang erwartete UN-Zukunftsgipfel, der ursprünglich für das vergangene Jahr geplant war, fand am 22. und 23. September 2024 in New York statt. Er wurde von der UNO als “einmalige Gelegenheit, das multilaterale System neu zu gestalten” angepriesen.

Das Abschlussdokument des Gipfels, der “Pakt für die Zukunft”, umfasst fünf Kapitel und 56 Maßnahmen. Während einige Beobachter den Pakt als “Meilenstein, der den Weg für Veränderungen ebnen kann”, betrachten, hängt die Relevanz des Dokuments und jeder dieser Aktionen von dem jeweiligen Thema ab. Fachleute werden jeden Satz des Pakts in Bezug auf ihr Fachgebiet analysieren und vielleicht nützliche Elemente finden.

Der Pakt verspricht nicht weniger als einen Neuanfang im Multilateralismus

Im Vergleich zu den Vorschlägen, Visionen und Bestrebungen, die im alternativen “People’s Pact” zum Ausdruck kommen, der von der Coalition for the UN We Need (C4UN) in einem langen Konsultationsprozess mit Fachleuten und Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft ausgearbeitet wurde, bleibt der zwischenstaatliche Pakt jedoch hinter der hohen Messlatte zurück, die in der PR der Vereinten Nationen und im Pakt selbst gesetzt wurde. Der Pakt verspricht nicht weniger als einen “Neubeginn im Multilateralismus” und eine “Transformation der Global Governance”.

Die ersten Absätze des Paktes bringen es auf den Punkt: “Wenn wir unseren Kurs nicht ändern, laufen wir Gefahr, in eine Zukunft mit anhaltenden Krisen und Zusammenbrüchen zu geraten”, heißt es in dem Dokument. Es heißt weiter, dass das multilaterale System mit der UNO im Zentrum “für die Gegenwart und die Zukunft fit sein muss – effektiv und fähig, auf die Zukunft vorbereitet, gerecht, demokratisch, fair und repräsentativ für die Welt von heute, inklusiv, vernetzt und finanziell stabil.”

Die Verpflichtungen des Pakts für die Zukunft erfüllen diese Ziele insgesamt aber nicht. Wenn man dem Pakt nüchtern betrachtet, wurde die “globale Transformation” aufgeschoben und die Gelegenheit verpasst. Zumindest im Bereich der stärkeren Beteiligung und Vertretung von Bürgerinnen und Bürgern, gewählten Abgeordneten und der Zivilgesellschaft in der Weltordnungspolitik hat der Gipfel ganz klar nur minimale Fortschritte gebracht.

Vertreter von Iswe Foundation, Democracy Without Borders und Democracy International vor der UNO während des Zukunftsgipfels: Aishwarya Machani, Rich Wilson, Caroline Vernaillen, Andreas Bummel und David Levai (von links nach rechts). Foto: DWB

Die entsprechende Maßnahme, Nummer 55 auf Seite 36, lautet wie folgt: “Wir werden unsere Partnerschaften stärken, um bestehende Verpflichtungen zu erfüllen und neue und entstehende Herausforderungen anzugehen.” Die Einleitung des entsprechenden Absatzes, Nummer 83, enthält einige willkommene Bemerkungen:

Wir erkennen die Bedeutung der Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit den nationalen Parlamenten und den relevanten Interessengruppen an, wobei der zwischenstaatliche Charakter der Organisation gewahrt bleibt. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfordern eine Zusammenarbeit nicht nur über die Grenzen hinweg, sondern in der gesamten Gesellschaft. Unsere Bemühungen müssen sowohl Regierungen als auch Parlamente, das System der Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen, lokale Behörden, indigene Völker, die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft und den Privatsektor, glaubensbasierte Organisationen, die wissenschaftliche und akademische Gemeinschaft und alle Menschen einbeziehen, um eine wirksame Antwort auf unsere gemeinsamen Herausforderungen zu gewährleisten.

Die folgenden sechs Unterpunkte enthalten eine Reihe von “Beschlüssen”, wie z.B. die Sicherstellung, dass “relevante Stakeholder in ihren jeweiligen Rollen und Verantwortlichkeiten sinnvoll teilnehmen können”, die Nutzung “bestehender Kanäle und die Stärkung der Kommunikation zwischen den zwischenstaatlichen Gremien der Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft”, die Vertiefung des “Engagements der Vereinten Nationen mit den nationalen Parlamenten” in “Übereinstimmung mit der nationalen Gesetzgebung” oder die Aufforderung an den Generalsekretär zu prüfen, “wie das Engagement mit lokalen und regionalen Behörden die Agenda 2030 voranbringen könnte”.

Panel bei der Veranstaltung “What’s next in global governance?”, bei der während der Aktionstage des Zukunftsgipfels mehrere Vorschläge der Zivilgesellschaft vorgestellt wurden, darunter eine Parlamentarische Versammlung bei den Vereinten Nationen und eine Global Citizens’ Assembly. Foto: DWB

Darüber hinaus verspricht der Pakt in Absatz 71 eine “strukturiertere, sinnvollere und inklusivere Beteiligung” von Nichtregierungsorganisationen mit Beraterstatus an den Aktivitäten des Wirtschafts- und Sozialrats der UN (was im Umkehrschluss nicht die gesamte UN meint). Das ist alles gut, aber gleichzeitig ist nichts davon neu und es ist nicht unmittelbar umsetzbar, da es weitestgehend Allgemeinplätze sind. Die einzige Ausnahme ist der Punkt, in dem der Generalsekretär um Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Behörden gebeten wird.

Dies ist weit davon entfernt, “potenziell bahnbrechend” zu sein, wie der Pakt von der UNO bezeichnet wurde.

Weitreichende Vorschläge der Zivilgesellschaft

Der People’s Pact hingegen empfiehlt die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen, eine UN-Weltbürgerinitiative, globale Bürgerräte sowie einen hochrangigen UN-Beauftragten, um die Legitimität und die Beteiligung an der globalen Governance zu stärken. Demokratie ohne Grenzen, C4UN, CIVICUS, Democracy International, Iswe Foundation, das UN Sustainable Development Solutions Network und zahlreiche andere Organisationen haben einen oder mehrere dieser Vorschläge bei den Konsultationen der UN mit der Zivilgesellschaft vorgebracht. Sie wurden auch auf der UN-Konferenz der Zivilgesellschaft in Nairobi im Mai sowie in einem offenen Brief, der von fast 170 Gruppen unterzeichnet wurde und im Vorfeld des Gipfels an die UN-Mitgliedstaaten verteilt wurde, vorgelegt.

Es ist keine Überraschung, dass keiner dieser Vorschläge Eingang in den Zukunftspakt gefunden hat.

Zwar setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass prinzipiell sogar eine Überarbeitung der gesamten UN-Charta notwendig wäre, wie anlässlich des Gipfels betont wurde, aber es gibt unter den UN-Mitgliedstaaten nicht einmal in grundlegenden Fragen einen Konsens. Die autoritärsten und repressivsten Regime der Welt, darunter China, Nordkorea, Russland, der Iran oder Venezuela, lehnen beispielsweise eine stärkere Beteiligung an der UNO oder eine Stärkung ihrer Fähigkeit, die Menschenrechte durchzusetzen, entschieden ab. Sie haben auch erfolgreich die Bemühungen vereitelt, Hinweise zur Unterstützung der Demokratie in den Pakt aufzunehmen, obwohl die Unterstützung der Demokratie ein wiederkehrendes Thema ist, das insbesondere von den Ländern der sogenannten “globalen Mehrheit” in der Generalversammlung vorgebracht wird.

Unter diesen Umständen kann eine echte “Transformation der Global Governance” nicht im Konsens erreicht werden, aber die Notwendigkeit konsensbasierter Verhandlungen über den Pakt war Teil der von der Generalversammlung verabschiedeten Modalitäten. In Nairobi räumte die deutsche UN-Botschafterin, Co-Facilitator der Verhandlungen, offen ein, dass das Konsenserfordernis eine Berücksichtigung weitreichender Vorschläge der Zivilgesellschaft von vornherein verhindert. Das Erfordernis gibt jedem einzelnen Staat die Möglichkeit, Formulierungen zu stoppen, die ihm nicht gefallen, und den kleinsten gemeinsamen Nenner durchzusetzen.

Das Problem des Konsenses

Es ist nicht ganz klar, warum beschlossen wurde, dass der Pakt im Konsens ausgehandelt werden muss. Schließlich wird in der Generalversammlung täglich über inhaltliche Resolutionen abgestimmt. Letzten Endes gibt die Notwendigkeit eines Konsenses aber auch den fortschrittlichen Staaten die Möglichkeit, ein Tätigwerden einfach zu vermeiden, wenn sie dies wollen, da sie behaupten können, dass bestimmte Vorschläge ohnehin keine Aussicht auf Erfolg haben und es daher sinnlos sei, sie überhaupt erst einzubringen.

Als Russland in letzter Minute einen Änderungsantrag einbrachte, um die Verabschiedung des Paktes zu verhindern, gab es dann doch eine Abstimmung in der Generalversammlung, die mit 143 zu sieben Stimmen und 15 Enthaltungen dafür stimmte, den Antrag nicht zu berücksichtigen.

Das “High-Level Board on Effective Multilateralism” des Generalsekretärs hat es zwar ebenfalls versäumt, sich mit Maßnahmen für eine bessere globale Beteiligung zu befassen, aber der Abschlussbericht traf genau ins Schwarze, als er das “übermäßige Festhalten an Konsensentscheidungen” als “häufiges Hindernis für einen effektiveren Multilateralismus” bezeichnete. Die globale Antwort auf “Fragen von globalem Interesse kann nicht von einer kleinen Zahl von Staaten entschieden werden, die vom Status quo profitieren”, so der Bericht.

Die Vorschläge der Zivilgesellschaft zur Verbesserung der Repräsentation und Partizipation in der UNO könnten im Prinzip alle von der Generalversammlung durch Mehrheitsentscheidungen umgesetzt werden. Wenn Konsens das Ziel wäre, gäbe es dafür keine Chance, wie der Zukunftsgipfel einmal mehr demonstriert hat.

Andreas Bummel
Andreas Bummel is Executive Director of Democracy Without Borders and co-authored the book "A World Parliament: Governance and Democracy in the 21st Century"