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Wir brauchen ein globales Gesund­heits­system, das mit Pan­demien umgeht

Posters of Li Wenliang on Hosier Lane, Melbourne, Australia, who was one of the first to warn of the coronavirus outbreak in Wuhan, was silenced by security authorities and later died of a coronavirus infection himself on 7 February 2020. Image: Adli Wahid/Unsplash

Der Ausbruch des Coronavirus COVID-19 hat die Notwendigkeit eines globalen Gesundheitssystems ins Blickfeld gerückt. Ausbrüche von Infektionskrankheiten sind ein globales Problem, das die Nationalstaaten allein nicht bewältigen können. Um den Schaden zu minimieren und einen Ausbruch wirksam einzudämmen, ist eine gemeinsame globale Reaktion erforderlich. 

Gegenwärtig bedeutet der Mangel an effektiver Koordination und Steuerung auf globaler Ebene, dass die Reaktion jedes Landes ein Spiegelbild seines eigenen politischen und gesundheitlichen Systems ist, das sich von Land zu Land enorm unterscheidet und in hohem Maße von der Höhe der verfügbaren wirtschaftlichen und gesundheitsbezogenen Ressourcen abhängt. Dies kann dazu führen, dass ineffektive Strategien umgesetzt werden, die im Widerspruch zur internationalen Zusammenarbeit stehen. Beispielsweise haben zahlreiche Länder, darunter die Vereinigten Staaten, Reisebeschränkungen, vorübergehende Grenzschließungen und Flugverbote verhängt, die in diesem Fall nicht funktionieren.

Die Bekämpfung von Pandemien ist ein globales öffentliches Gut

Das entscheidende Problem besteht darin, dass die Gesundheitssysteme derzeit in der Verantwortung der nationalen Regierungen liegen. Wie jedoch anhand der Maßnahmen zur Eindämmung des COVID-19-Ausbruchs deutlich wird, läuft das auf ein Souveränitätsproblem hinaus, da die Pandemiebekämpfung ein globales öffentliches Gut darstellt und Reaktionen transnational erfolgen müssen. Beispiele für Aktivitäten, die wohl auf globaler Ebene stattfinden müssen, sind die Entwicklung globaler Richtlinien und Normen, Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen und Behandlungsmethoden, die Überwachung von Ausbrüchen und Frühwarnsystemen sowie das Management der grenzüberschreitenden Übertragung von Krankheiten. All diese Aktivitäten müssen idealerweise auch auf globaler Ebene finanziert und verwaltet werden. 

Es wurde jedoch berichtet, dass diese Art von Aktivitäten in der Praxis unterfinanziert ist. Obwohl die internationale Finanzierung nach dem Ebola-Ausbruch etwas zugenommen hat, war der Anstieg nicht nachhaltig. Es gibt eine Unterinvestition in diesen Bereichen, weil es sich um öffentliche Güter handelt, die unter dem leiden, was wir in der Wirtschaft als «Trittbrettfahrer»-Problem bezeichnen: Die Nutznießer können davon profitieren, ohne dafür zu bezahlen. So können sie beispielsweise zunächst von den Maßnahmen zur Eindämmung eines Ausbruchs profitieren, die von einem Land durchgeführt werden, ohne die Kosten für diese Eindämmung zu tragen. 

Eine globale Finanzierung ist notwendig

Darüber hinaus sind die finanziellen Beiträge der Länder freiwillig. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Jahr 2017 78 Prozent der Mittel für globale öffentliche Güter von nur fünf internationalen Geldgebern (darunter zwei Regierungen) kamen. Um dieses Problem zu lösen, müssen wir zu einer verpflichtenden Finanzierung des globalen öffentlichen Gesundheitswesens übergehen, wobei alle Länder ermutigt werden müssen, entsprechend ihrer Wirtschaftskraft durch innovative Finanzierungsmechanismen auf globaler Ebene, wie z.B. eine globale Besteuerung und/oder eine Finanztransaktionssteuer, einen Beitrag zu leisten. 

In den letzten Jahren haben die Finanzierungsmechanismen zur Unterstützung der globalen Reaktion auf Ausbrüche zugenommen. So wurde beispielsweise nach dem Ebola-Ausbruch die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), eine Partnerschaft zwischen öffentlichen, privaten, philanthropischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, zur Entwicklung von Impfstoffen gegründet, die nun auch die Entwicklung von Impfstoffen für COVID-19 unterstützt. Die Weltbank richtete auch eine Pandemie-Notfallfinanzierungsfazilität ein, um den ärmsten Ländern der Welt bei der Reaktion auf Ausbrüche zu helfen. Inzwischen gibt es eine Fülle von globalen Finanzierungsinitiativen für einzelne Gesundheitsthemen, was zu einer Fragmentierung der Finanzierung führt. Im Idealfall müssen die Mittel in einem einzigen Pool zusammengefasst werden, um das globale Gesundheitssystem als Ganzes effizient zu finanzieren.

Die Notwendigkeit eines einheitlichen globalen Systems

Auch die derzeitigen Management- und Governance-Regelungen für die globale Gesundheit sind mit Herausforderungen verbunden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat zwar das Mandat, eine Reihe von Funktionen des Gesundheitssystems auf globaler Ebene zu übernehmen, aber sie ist dafür nicht ausreichend finanziert.

Ferner ist der Haushalt der WHO in hohem Maße von den Beiträgen einzelner Länder abhängig, und die Höhe der zugewiesenen Mittel kann sich als Reaktion auf Veränderungen in der WHO-Leitung und neue politische Prioritäten ändern. So haben die Vereinigten Staaten vor kurzem ihren Plan angekündigt, ihre globalen Gesundheitsausgaben um drei Milliarden US-Dollar zu reduzieren und ihre Finanzierung der WHO um die Hälfte zu kürzen.

Die Schlagkraft der WHO wird weiter durch das Fehlen eines globalen Durchsetzungsmechanismus in Frage gestellt, um gegen Länder vorzugehen, die sich nicht an die internationalen Gesundheitsvorschriften halten, die im globalen Abkommen zur Verhinderung und zum Schutz vor der Verbreitung von Gesundheitsrisiken einschließlich Infektionskrankheiten enthalten sind. 

Wenn wir globale Gesundheitsherausforderungen wie Krankheitsausbrüche, die immer häufiger zu werden drohen, wirksam angehen wollen, brauchen wir ein globales, einheitliches System dafür. 

Ein Weltparlament

Ein wichtiges Element dieses globalen Gesundheitssystems wäre ein Weltparlament, das das Budget für globale Gesundheitsaktivitäten festlegt und sicherstellt, dass diese durch globale Pflichtbeiträge und Finanzmechanismen angemessen finanziert werden. Außerdem würde es einen Regelungsrahmen geben, der konsistente Reaktionen in allen Ländern und deren Übereinstimmung mit einer evidenzbasierten globalen Gesundheitspolitik gewährleistet. Schließlich würde ein Weltparlament auch das Maß an Legitimität, Rechenschaftspflicht und Kontrolle bieten, das für die allgemeine Akzeptanz dieses Systems erforderlich ist. Die Entwicklung eines einheitlichen globalen Gesundheitssystems kann jetzt beginnen und wäre ein wichtiger Schritt hin zu einem Weltparlament.

 

Josephine Borghi
Josephine Borghi is a Professor in Health Economics at the London School of Hygiene & Tropical Medicine